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23.11.2014 22:00
Warum der Westen an der Ukraine-Krise schuld ist
Strategiewechsel bei den Strippenziehern? - Es sieht gerade so aus, als wäre man mit dem in der Ukraine angerichtetem Chaos nicht vollends zufrieden. Putin hat wohl seine Karten besser gespielt als ihm zugetraut wurde. Dahingehend würde ich die jüngste Veröffentlichung in dem vom einflussreichen, neoliberalen US-Think Tank "CFR" herausgegebenen Journal "Foreign Affairs" interpretieren.  JWD
    Der Council on Foreign Relations (deutsch Rat für auswärtige Beziehungen) ist ein privater US-amerikanischer Think Tank mit Fokus auf weltweiten außenpolitischen Themen mit Sitzen in New York und Washington. Die Gesellschaft wurde 1921 in New York von Edward M. House in Zusammenarbeit mit den deutsch-stämmigen Bankiers Paul Warburg und Otto Hermann Kahn, Amerikas einflussreichstem Journalisten, Walter Lippmann, sowie New Yorker Geschäftsleuten, Bankiers und hochrangigen Politikern gegründet.

    Dem Council wird seit seiner Entstehung eine herausragende Funktion im Formulierungsprozess außenpolitischer Strategien zugesprochen und gehört mit den mit dem CFR eng verwobenen Chatham House und Carnegie Endowment for International Peace zur aktuellen Top 4 der weltweit wichtigsten und einflussreichsten privaten Think Tanks. Der CFR ist Herausgeber der zweimonatlich erscheinenden Foreign Affairs, der führenden Fachzeitschrift auf dem Gebiet der internationalen Beziehungen. Hauptsitz des Council on Foreign Relations ist seit dem 16. April 1945 das ehemalige Wohnhaus des Standard Oil-Direktors Harold Irving Pratt an der 58 East 68th Street/Park Avenue an der Upper East Side in Manhattan. Außenstellen befinden sich in Washington, London und Tokio. [Quelle: Wikipedia ..hier]
Wenn die Vereinszeitung dieser, die US-Außenpolitik bestimmenden NGO plötzlich dem Westen Schuld an der Ukrainekrise zuweist, dann dürfte sich eine Korrektur an der bisherigen Strategie anbahnen. Als Verfasser des Artikels wird der US-Politikwissenschaftler und Chicagoboy John J. Mearsheimer genannt.
    John J. Mearsheimer (John Joseph Mearsheimer; * 14. Dezember 1947 in Brooklyn, New York City) ist ein US-amerikanischer Politikwissenschaftler an der University of Chicago. Er befasst sich hauptsächlich mit Internationalen Beziehungen. 2001 wurde er mit seinem Buch über offensiven Neorealismus bekannt, The Tragedy of Great Power Politics. Mearsheimer ist zusammen mit Stephen Walt Autor des New York Times Best Sellers The Israel Lobby and U.S. Foreign Policy (2007). Seine Veröffentlichung von 2011 Why Leaders Lie: The Truth About Lying in International Politics kategorisiert die „Lügen, die Staaten einander erzählen“. Nach einem Interview mit Mearsheimer in The Boston Globe ist die Lehre des Buchs „Lüge selektiv, lüge gut und mach deine Sache so gut du kannst.“ [...]

    Ukraine-Krise
    In der Ukraine-Krise 2014 bezog Mearsheimer eine klare Position gegen die Außenpolitik der USA.

    In einem Artikel in Foreign Affairs weist er die Verantwortung für den Ausbruch des Konflikts zu einem größeren Teil den USA und der Europäischen Union zu.

    Beide hätten hierzu mit voller Absicht und in Kenntnis der ablehnenden, aus dem Sicherheitsinteresse Russlands heraus verständlichen Haltung Russlands die Osterweiterung der EU und, mit dieser verbunden, der NATO vorangetrieben, zudem die „Demokratisierung“ der Ukraine auch mit hohem finanziellen Einsatz und unter Anwendung von Manipulationen ("Social engineering") unterstützt, um die Ukraine für den Westen zu gewinnen.

    Der „Coup“ gegen Wiktor Janukowytsch sei offensichtlich von den USA unterstützt worden. Zum Beleg führt er an, dass Victoria Nuland and Senator John McCain in Kiew an Demonstrationen gegen die Regierung teilgenommen hatten. Der US-Botschafter in der Ukraine, Geoffrey Pyatt, habe nach dem Sturz Janukowytschs geäußert, „dies sei ein Tag für die Geschichtsbücher“. In einem aufgedeckten Telephongespräch habe Nuland einen Regierungswechsel befürwortet und gewollt, dass Arsenij Jazenjuk Premierminister werden würde, was dann auch geschah.

    Putins Reaktion sei verständlich, die Ukraine als Puffer sei für Russlands Sicherheitsbedürfnis „unabdingbar“. In Übereinstimmung mit George F. Kennans seinerzeitiger Einschätzung sieht er hinter der Osterweiterung eine völlig unnötige und gefährliche Provokation Russlands. Die politischen Fehler führt Mearsheimer auf den Mangel an politischem Realismus und auf eine zu großen Einfluss der Liberalen im Gefolge Clintons zurück. Der einzige sinnvolle Weg aus der Krise sei, die Sicherheitsinteressen Russlands nüchtern einzukalkulieren.

    Die Ukraine müsse die Rolle des Puffers oder der Brücke akzeptieren, die ihr durch ihre geostrategische Situation vorgegeben sei. Alles andere sei abstrakt und realpolitisch bedeutungslos. Außerdem zeige das Desinteresse des Westens, der Ukraine militärisch zu Hilfe zu kommen, dass sie nicht die strategische Bedeutung habe, die dafür nötig sei. Die konstruktive Zusammenarbeit des Westens mit Russland sei zur Lösung wichtiger bestehender und anstehender Probleme von großer Bedeutung und sollte nicht aufs Spiel gesetzt werden. [Quelle: Wikipedia ..hier]
Das die Kernaussagen des Artikels aus der September/Oktoberausgabe des CFR-Journals - Warum der Westen an der Ukraine-Krise schuld ist -  sogar über Wikipedia verbreitet wird, finde ich bemerkenswert. Ebenso bemerkenswert auch die Tatsache, dass sogar alternative Medien wie z.B. Luftpost-KL den Artikel unkommentiert verbreiten. Denn der gute Professor versucht keineswegs die Propagandalügen der Systemmedien zu entlarven und moralische bzw. ethische Grundwerte einzufordern.

Im Gegenteil: Es wird so getan als seien die verbreitenden Lügen Tatsachen. Putin ist zwar böse, dies sei jedoch in seiner Situation verständlich, weshalb man eben, um ans Ziel zu kommen, lediglich die Strategie ändern müsse. So etwa sieht und versteht der Autor die "Schuld des Westens". Von Niedertracht und ähnlichen Dingen ist keine Rede.


Nachfolgend eine etwas gekürzte deutsche Fassung des Artikels:

21.11.2014 [Quelle: Luftpost-kl.de]
Warum der Westen an der Ukraine-Krise schuld ist
(Die liberalen Fehleinschätzungen, die Putin provozierten)
Von John J. Mearsheimer | Foreign Affairs, Ausgabe September/ Oktober

Im Westen gilt es als gesicherte Erkenntnis, dass an der Ukraine-Krise maßgeblich die aggressive Haltung der Russen schuld ist. Der russische Präsident Wladimir Putin, so die gängige Argumentation, hat die Krim annektiert, weil er schon lange eine Wiederbelebung des Sowjetreichs im Sinn hatte, und wird womöglich auch den Rest der Ukraine und andere Länder Osteuropas ins Visier nehmen. Die Absetzung des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch im Februar 2014 habe Putin lediglich den Vorwand dafür geliefert, russische Streitkräfte auf die Krim zu entsenden.

Doch diese Darstellung ist falsch: Die Hauptschuld an der Krise tragen die USA und ihre europäischen Verbündeten. An der Wurzel des Konflikts liegt die NATO-Osterweiterung, Kernpunkt einer umfassenden Strategie, die Ukraine aus der russischen Einflusssphäre zu holen und in den Westen einzubinden. Dazu kamen die EU-Osterweiterung und die Unterstützung der Demokratiebewegung in der Ukraine durch den Westen, beginnend mit der Orangenen Revolution 2004.

Seit Mitte der 1990er Jahre lehnen russische Staatschefs eine NATO-Osterweiterung entschieden ab, und in den vergangenen Jahren haben sie unmissverständlich klargemacht, dass sie einer Umwandlung ihres strategisch wichtigen Nachbarn in eine Bastion des Westens nicht untätig zusehen würden. Das Fass zum Überlaufen brachte der unrechtmäßige Sturz des demokratisch gewählten pro-russischen Präsidenten der Ukraine; Putin sprach zu Recht von einem »Staatsstreich«. Als Reaktion darauf annektierte er die Halbinsel Krim, auf der, wie er befürchtete, die Einrichtung einer NATO-Marinebasis geplant war, und betrieb die Destabilisierung der Ukraine, um sie von einer Annäherung an den Westen abzubringen.

Putins Gegenwehr kam eigentlich alles andere als überraschend. Immerhin war der Westen, wie Putin nicht müde wurde zu betonen, in den Hinterhof Russlands vorgedrungen und hatte dessen strategische Kerninteressen bedroht.

Die politischen Eliten der USA und Europas trafen die Ereignisse nur deshalb unvorbereitet, weil sie der Logik des Realismus im 21. Jahrhundert kaum noch Bedeutung zumessen und davon ausgehen, dass sich die Einheit und Freiheit Europas mittels liberaler Prinzipien wie Rechtsstaatlichkeit, ökonomischer Interdependenz und Demokratie gewährleisten lassen. Doch dieses Konzept ging in der Ukraine nicht auf. Die dortige Krise belegt, dass die Realpolitik durchaus noch relevant ist – und Staaten, die dies übersehen, es auf eigene Gefahr tun. Der Versuch US-amerikanischer und europäischer Politiker, die Ukraine in einen Stützpunkt des Westens direkt an der russischen Grenze zu verwandeln, ist gründlich misslungen.

Nun, da die Konsequenzen unübersehbar sind, wäre es ein noch größerer Fehler, diese verhunzte Politik fortzusetzen.

Der Affront durch den Westen

Nach dem Ende des Kalten Krieges waren der sowjetischen Staatsführung ein Verbleiben der US-Streitkräfte in Europa und ein Fortbestand der NATO nur recht, weil sie in ihren Augen den Frieden mit einem wiedervereinigten Deutschland sicherten. Doch ein Wachsen der NATO wollten weder die Sowjets noch ihre russischen Nachfolger, und man ging davon aus, dass westliche Diplomaten das nachvollziehen konnten.

Die Regierung Clinton sah das offenkundig anders und forcierte ab Mitte der 1990er Jahre die NATO-Osterweiterung. In der ersten Erweiterungsrunde wurden 1999 die Tschechische Republik, Ungarn und Polen integriert. In der zweiten folgten 2004 Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, die Slowakei und Slowenien.

Die Russen protestierten von Anfang an aufs Schärfste, waren damals jedoch zu schwach, um die NATO-Osterweiterung zu verhindern - die ohnehin nicht sonderlich bedrohlich wirkte, da abgesehen von den winzigen baltischen Staaten keins der neuen Mitgliedsländer an Russland grenzte. Dann wanderte der Blick der NATO weiter nach Osten.

Auf dem Gipfel 2008 in Bukarest beriet sie über eine Aufnahme Georgiens und der Ukraine. Die Regierung George W. Bush unterstützte das Vorhaben, Frankreich und Deutschland aber waren dagegen, weil sie fürchteten, Russland gegen sich aufzubringen. Am Ende einigten sich die NATO-Mitgliedsstaaten auf einen Kompromiss:

Das Bündnis leitete keine formale Aufnahmeprozedur ein, sondern gab lediglich eine Erklärung ab, in der es die Bestrebungen Georgiens und der Ukraine begrüßte und rundheraus erklärte: „Diese Länder werden der NATO beitreten.“ Einer russischen Zeitung zufolge ließ Putin in einem Gespräch mit Bush durchblicken, „dass die Ukraine, sollte sie in die NATO aufgenommen werden, aufhören werde zu bestehen“.

Für Moskau war dieses Ergebnis alles andere als ein Kompromiss. Putin ließ wissen, die Aufnahme dieser beiden Länder in die NATO stelle für Russland eine „unmittelbare Bedrohung“ dar. Einer russischen Zeitung zufolge ließ Putin in einem Gespräch mit Bush durchblicken, „dass die Ukraine, sollte sie in die NATO aufgenommen werden, aufhören werde zu bestehen“.

Die russische Invasion Georgiens im August 2008 hätte jeden Zweifel an Putins Entschlossenheit, Georgien und die Ukraine am NATO-Beitritt zu hindern, ausräumen müssen.

Doch ungeachtet dieser unmissverständlichen Warnung ließ die NATO nie offiziell von ihrem Ziel ab, Georgien und die Ukraine in das Bündnis aufzunehmen.

Und im Jahr 2009 schritt die NATO-Osterweiterung mit der Aufnahme Albaniens und Kroatiens fort. Auch die EU marschiert gen Osten.

Im Mai 2008 beschloss sie ihre Initiative „Östliche Partnerschaft“, die in Ländern wie der Ukraine den Wohlstand fördern und sie in den EU- Wirtschaftsraum integrieren sollte.

Wenig überraschend sieht die russische Staatsführung in dem Plan eine Bedrohung ihrer nationalen Interessen. Im vergangenen Februar, ehe Janukowitsch aus dem Amt gedrängt wurde, warf der russische Außenminister Sergej Lawrow der EU vor, sie versuche, eine „Einflusssphäre“ in Osteuropa zu schaffen. [...]

Weiterlesen bei ' luftpost-kl.de ' (PDF) ..hier

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