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24.10.2018 10:30 | Teilen Das Skripal-Labyrinth Im „Fall Skripal“ wird die Öffentlichkeit von Politik und Medien belogen und betrogen, dass sich die Balken biegen. - Exakt ein halbes Jahr nach den versuchten Morden an dem Doppelagenten Sergei Skripal und seiner Tochter Julia und nach Monaten mehr oder minder ereignislosem Wartens präsentierte die britische Polizei Fotos und Namen der beiden angeblichen Täter: Ruslan Boschirow und Alexander Petrow. Wenig später wartete das Recherchenetzwerk Bellingcat mit der Enthüllung auf, in Wirklichkeit seien die Namen Decknamen für zwei russische Geheimdienstmitarbeiter... [Quelle: rubikon.news] JWD ...Die Bild-Zeitung jubelt: „Skripal-Attentäter arbeitet für Russen-Geheimdienst“ und Spiegel Online konstatiert nüchtern: „Präsident Putin setzt seinen Militärgeheimdienst beim Giftanschlag in Salisbury und bei Hackerangriffen gegen den Westen ein.“
Fall gelöst? Akte geschlossen? Tatsächlich ist der Fall ausgesprochen kompliziert und der Blick auf das tatsächliche Geschehen durch eine Vielzahl von Nebelkerzen, Halbwahrheiten und falschen Fragen verstellt. Daher wird dieser Artikel versuchen, Schritt für Schritt die zentralen Argumente der britischen und der russischen Seite zu präsentieren, Widersprüche aufzuzeigen und den Blick auf die unbeantworteten Fragen zu lenken. Dadurch soll das Labyrinth Skripal etwas übersichtlicher werden, auch wenn das Unterfangen sehr umfangreich und ohne ein eindeutiges Ergebnis sein wird. Aufgrund der Länge werden die Überschriften der Hauptteile mit einer römischen Ziffer bezeichnet. Hier vorab eine Übersicht der Teile:
II. BEWEISE DER TÄTERSCHAFT III. SKRIPALS TAGESABLAUF IV. TATZEIT UND TATORT V. DIE TATWAFFE VI. DAS OPFER VII. BEWEISSCHULD Ruslan Boschirow und Alexander Petrow, die von der britischen Metropolitan Police verdächtigten Russen, traten selber im russischen Fernsehen auf und erklärten auf Nachfrage, dass ihre Namen, mit denen sie nach Großbritannien gereist sind, definitiv ihre eigenen Namen seien. Am 26. September ging das Recherchenetzwerk „bellingcat“ mit der Nachricht an die Öffentlichkeit, sie hätten abschließend beweisen können, dass sich hinter Boschirow tatsächlich der russische Geheimdienstmitarbeiter Anatoli Tschepiga verberge (1). Am 8. Oktober folgte dann die Meldung, auch Alexander Petrow wäre von „bellingcat“ als Alexander Mischkin enttarnt worden, ein Militärarzt des russischen Geheimdienstes (2).
Professor Ugail, Professor für Visual Computing an der Universität Bradford, erstellte mit Hilfe der nun vorliegenden Fotos eine forensische Gesichtsähnlichkeitsanalyse zwischen dem Foto aus Mischkins Pass (2001) und dem internationalen Pass von „Petrow“ (2006). Laut Professor Ugail gehören die beiden Fotos derselben Person. Leere Biographien Der Journalist Bernd Murawski weist zu Recht auf einen bedeutenden Punkt hin: „Wichtige Hinweise auf die Authentizität der russischen Version könnte eine Beleuchtung des sozialen Umfelds von Petrow und Boschirow liefern. Insbesondere ließe sich feststellen, ob sie mit eigenen oder Decknamen gereist sind, wie die britische Regierung behauptet. Derartige Erwartungen erhielten bereits im Interview bei ‚Russia Today‘ einen Dämpfer, da sich beide weigerten, auf Fragen zu ihrer Umgebung, ihres Hintergrunds, ihrer Geschäfte und ihren Freunden zu antworten“ (6).
„Normale Leute bekommen hier keine Pässe“, sagte Sergej Kanev, ein investigativer Reporter, der an der Recherche teilnahm, zu TV Rain. „Ich meine nicht Geschäftsleute oder hochrangige Beamte. Ich meine Leute, die oft undercover arbeiten, einschließlich der Geheimdienste.“ Die Heimat ruft „Bellingcat“ untermauert seine These, Boschirow und Petrow seien nur Tarnnamen, dadurch, dass „The Insider“ einen Journalisten in das Geburtsdorf von Alexander Mischkin schickte, der dort mehrere Personen traf, die ihm bestätigten, dass dieser dort geboren sei und sie ihn aus seiner Jugend kannten. Er sei dieselbe Person, die im Fernsehinterview als Alexander Petrow gesprochen hatte. Die russische Zeitung „Kommersant“ führte ihrerseits eine Reihe von Interviews im Geburtsort von Tschepiga. Hier gibt es unterschiedliche Meinungen, ob Tschepiga dieselbe Person wie der verdächtigte Boschirow sei oder nicht (9). Pässe weisen in Richtung Geheimdienst „Bellingcat“ meldete auch, die Pässe, mit denen Boschirow und Petrow nach Großbritannien gereist waren, enthielten überraschende Hinweise: „Entscheidend ist, dass mindestens ein Mann in seinen Passakten verschiedene ‚streng geheime‘ Kennzeichnungen trägt, die nach mindestens zwei von ‚bellingcat‘ konsultierten Quellen typischerweise Angehörigen von Geheimdiensten oder Spitzenstaatsagenten vorbehalten sind“ (10). Unklar ist, was „bellingcat“ hier mit „mindestens ein Mann“ meint. „The Guardian“ präzisiert, das Dossier zum ausgestellten Pass enthalte auch eine Telefonnummer mit dem Hinweis, keine Informationen herauszugeben. Der „Oberserver“ rief daraufhin diese Telefonnummer an und landete bei der Rezeption im russischen Verteidigungsministerium (11). Verdächtige Passnummern „Bellingcat“ berichtet, dass die in Boschirows und Petrows Pässen auftauchenden Passnummern angeblich ebenfalls in Richtung des russischen Geheimdienstes deuten. Dies soll die russische Webseite „Fontanka“ herausgefunden haben. Andere Personen mit ähnlichen Passnummern waren der Adresse Khoroshevskoye Shosse 76 B zugeordnet, „das Moskauer Hauptquartier der russischen Hauptdirektion, die Militärbehörde, die oft als GRU bezeichnet wird“ (12). Der ehemalige britische Botschafter in Usbekistan und Menschenrechtler Craig Murray weist jedoch in seiner kritischen und hilfreichen Arbeit darauf hin, dass die „Fontanka“-Webseite im Original tatsächlich das Gegenteil schreibt, von dem was „bellingcat“ behauptet (13). In jedem Fall werfen die verschiedenen Aussagen zum verwendeten Reisepass der Verdächtigen die Frage auf, wie unprofessionell der russische Geheimdienst arbeitet, sollte er solche Spuren in Pässen für die Tarnidentitäten hinterlegen, wenn es sich tatsächlich um Geheimdienstmitarbeiter handeln sollte. Frage der Visa Insbesondere wenn die Tatsache stimmt, dass die Passnummern von Petrow und Boschirow in Richtung Geheimdienst verweisen sollten, stellt sich die Frage, wie die beiden Verdächtigen an ein Visum für ihre Reise nach Großbritannien gekommen sind — und wie sie bei ihren vielen Reisen in Europa niemals Probleme bekommen haben. Aber auch generell ist das Visum der beiden Verdächtigen von besonderem Interesse. Leider ist es nach Kenntnisstand des Autors bis heute nicht der Öffentlichkeit präsentiert worden. Auch nicht das dort verwendete Foto, das aktuell sein muss. Wie Craig Murray schreibt, wäre der Visumsantrag von besonderem Interesse, da er eine Reihe von Fragen klären oder neue wichtige eröffnen würde:
Wenn die beiden die Geschichte der Visaabteilung erzählt hätten, die sie heute Russland erzählt haben, nämlich dass sie freiberufliche Händler von Fitnessprodukten seien, die die Kathedrale von Salisbury besuchen wollten, hätte man ihnen ein Visum als Kandidaten für einen längeren Aufenthalt verweigert. Es wäre davon ausgegangen worden, dass sie in Russland keine ausreichend stabile Beschäftigung haben, um sicherzustellen, dass sie zurückkehren“ (14). Die Recherche von „bellingcat“ kommt zu dem Schluss, dass Tschepiga und Mischkin nicht nur einfache Geheimdienstmitarbeiter, sondern mit der Ehrung „Helden Russlands“ im Herbst 2014 ausgezeichnet worden sein sollen (15). Dies ist von besonderer Relevanz, da dies im eklatanten Widerspruch zu einer Aussage des Sprechers von Wladimir Putin stehen würde. Dimitri Peskow hatte erklärt: dass „es keine Daten gibt, dass der Held der Russischen Föderation an jemanden namens Anatoli Tschepiga vergeben wurde“ (16). Im Falle von Tschepiga zeigen eine Reihe von aktuellen Fotos der Galerie der „Helden der Russischen Föderation“ in der „Fernöstlichen Militärakademie“ (im Russischen mit DVOKU abgekürzt) den Ausgezeichneten mit Foto und Namen. Im Falle von Mischkin steht die Argumentation auf deutlich tönerneren Füßen. Da er — ebenso wie Tschepiga — im Herbst 2014 in eine sehr kostspielige Wohnung in Moskau zog, deutet dies für „bellingcat“ darauf hin, dass Mischkin ebenfalls als „Held der Russischen Föderation“ ausgezeichnet wurde und dieselben Boni erhielt wie Tschepia. Die Tatsache, dass es keinen öffentlichen Hinweis auf seine Auszeichnung gebe, sei in der Geheimdienstwelt keine Seltenheit. Fake oder kein Fake? Craig Murray meint in den Fotobeweisen für die Auszeichnung Tschepigas eine „offensichtliche Fälschung“ seitens „bellingcat“ zu erkennen, da die Lichtverhältnisse auf eine Fotomontage hindeuten würden und Tschepigas Foto zudem keineswegs in der sonst vorherrschenden chronologischen Reihenfolge auf der Wand angebracht sei (17). Murray liegt hier jedoch nachweislich falsch. Wie Bay Kurley mit einer Reihe weiterer Fotos dieser Fotowand nachweist, sind die Lichtverhältnisse zu erklären, zudem zeigen auch weitere Fotos die Auszeichnung von Tschepiga. Eine „chronologische Unordnung“ herrscht zudem auch an anderen Stellen auf dieser Wand (18). Anfangs hatte Craig Murray auch bei zwei weiteren Fotos von Borischow und Petrow darauf geschlossen, dass es sich vermutlich um einen Fake handeln müsse. Diese beiden Fotos waren zur exakt gleichen Zeit am scheinbar exakt gleichen Ort in einer Flughafenschleuse aufgenommen worden, wobei sie aber erstaunlicherweise jeweils nur einen der beiden Verdächtigen zeigten. Darauf aufmerksam gemacht, dass es am Flughafen in London Gatwick exakt identisch aussehende Ausgänge des Gates gibt, hat Murray seine Vermutung zurückgezogen (19). Hierbei geht es weniger darum, auf Fehler in der oft sehr guten Recherche von Murray hinzuweisen, sondern dies der Vollständigkeit halber zu erwähnen, da auch eine ganze Reihe weiterer Seiten im Internet diesen Fehler begangen haben. Drei Fotos für zwei „Bellingcat“ sorgt etwas für Verwirrung, wenn sie drei Fotos für Borischow/Tschepia zeigen: Zwei Schwarz-Weiß-Fotos und ein Farbfoto (20). Da „bellingcat“ dies erst in der zweiten Hälfte des Artikels explizit betont, geht man als Betrachter instinktiv davon aus, dass die beiden Schwarz-Weiß-Fotos vom Geheimdienstmitarbeiter Tschepiga stammen und das Farbfoto von Boschirow und die Ähnlichkeit recht offensichtlich ist. Sogar die BBC scheint Opfer dieser Verwirrung geworden zu sein, denn sie zeigen das mittlere Schwarz-Weiß-Foto und das Farbfoto. Tatsächlich sind aber genau diese beiden Fotos von Boschirow und nur das linke Schwarz-Weiß-Foto stammt von Tschepiga (21). „Bellingcats“ Arbeitsweise Es sollte betont werden, dass „bellingcat“ durchaus weitere Indizien präsentiert, um ihre These zu untermauern, aber zentral für ihre Schlussfolgerung ist der Vergleich zweier Fotos. Mit bloßem Auge scheinen die beiden Personen auf den Schwarz-Weiß-Fotos nicht dieselben Personen zu sein. Auch die Webseite Betaface.com, die eine professionelle Software benutzt und von Craig Murray für Testzwecke genutzt wurde, gibt die Ähnlichkeit beider Gesichter mit 83 Prozent an, und die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um dieselbe Person handelt, mit mageren 2,8 Prozent (22). Zwischen beiden Aufnahmen liegen sechs Jahre. Inwiefern dies die Wahrscheinlichkeit erhöht, vermag der Autor dieser Zeilen nicht zu sagen. Im Fall von Mischkin allerdings kann „bellingcat“ auf die Einschätzung von Professor Ugail verweisen. In beiden Fällen zudem auf nicht näher identifizierte Menschen aus den Heimatdörfern der beiden Verdächtigen. Die Schwierigkeit des Fotovergleichs muss in jedem Fall aber im Hinterkopf behalten werden und keinesfalls darf man vergessen zu betonen, dass es sich hier um eine angebliche Identifizierung der Verdächtigen als Geheimdienstmitarbeiter handelt. Besonders wenn man berücksichtigt, dass Eliot Higgins, der Gründer des Recherchenetzwerkes „bellingcat“ im Falle der Weißhelme, die angeblich über Fotovergleiche als Dschihadisten identifiziert werden, zur Vorsicht mahnt und über Twitter schreibt:
Früherer Fehler Das Recherchenetzwerk „bellingcat“ wurde erstmals der Öffentlichkeit bekannt, als sie meinten beweisen zu können, dass russische Satellitenaufnahmen beim Abschuss der MH-17 über der Ukraine manipuliert seien. Die meisten Medien brachten „bellingcats“ Aussage als ein bewiesenes Faktum. Der Bild-Forensiker Jens Kriese kritisierte aber: „bellingcat betreibt Kaffeesatzleserei. Die Error Level Analyse ist eine Hobby-Methode“, und Dr. Neal Krawetz, der die von „bellingcat“ für die Fotoanalyse verwendete Software entwickelt hat, urteilt hart: „bellingcats“ Arbeit sei eine „Anleitung dafür, wie man eine Bildanalyse nicht machen sollte“ (25). Geförderte Unabhängigkeit Die Finanzquellen von „bellingcat“ sind relativ komplex. Elke Schenk hat sich die Mühe gemacht, der Frage näher auf den Grund zu gehen (26). Betrachtet man die Quellen, die „bellingcat“ für ihre Recherche rund um den Skripal-Fall verwenden konnte, scheint einiges darauf hinzudeuten, dass sie gute Verbindungen zu Nachrichtendiensten haben. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums wirft daher „bellingcat“ vor, von westlichen Geheimdiensten gefüttert zu werden (27). Zwischenstand Die Tatsache, dass nach Wissen des Autors bis heute die Leerstellen in den Biographien der beiden Verdächtigen Borischow und Petrow geblieben sind und nicht durch Familie, Freunde und berufliches Umfeld gefüllt wurden, deutet sehr stark darauf hin, dass diese Namen nicht ihren wahren Identitäten entsprechen. Dabei bleibt auch die Frage offen, warum in diesem Fall die russische Seite die offensive Verteidigung gesucht hat, wenn bisher die Identität von Borischow und Petrow nicht bewiesen wurde, obwohl dies relativ leicht möglich sein sollte. Craig Murray ist sich „jetzt fast sicher, dass Boshirov und Petrov tatsächlich gefälschte Identitäten sind. Wären die beiden echte Menschen, ist es unvorstellbar, dass ihre Identitäten bis jetzt nicht mit Details zu ihrer Geschichte, ihrem Leben, ihrer Familie und ihrem Umfeld vollständig geklärt sind. Ich entschuldige mich nicht dafür, dass ich mit aller gebotenen Vorsicht und nicht mit Begeisterung über eine Erzählung spreche, die gefördert wurde, um die internationale Spannung mit Russland zu erhöhen, aber ich bin jetzt überzeugt, dass Petrov und Boshirov nicht die waren, die sie zu sein behaupteten“ (28). Auf der anderen Seite müssen weiterhin Zweifel daran angemeldet werden, ob es sich bei den beiden tatsächlich um die Geheimdienstmitarbeiter Tschepiga und Mischkin handelt. Gelöschter Tweet Überraschend ist das Verhalten des britischen Verteidigungsministers Gavin Williamson. Nur zwanzig Minuten nachdem er ein Tweet veröffentlicht hatte, indem er „bellingcat“ für die Identifizierung Tschepigas dankte, löschte er diesen Tweet wieder (29). Was uns zu einer leicht zu übersehenden, aber dringenden Frage bringt: Wenn „bellingcat“ die Identifizierung mit ihren recht begrenzten Mitteln gelang, warum waren dann nicht staatliche Stellen wie der britische Auslandsgeheimdienst MI6 und die britische Polizei erfolgreich? Und was halten die staatlichen Stellen von der Identifizierung? Zurückhaltung des MI6 und Schweigen der Polizei Vom MI6 gibt es bisher keine öffentliche Äußerung. Eine Quelle von Craig Murray erklärte diesem gegenüber, dass britische Experten die Identifizierung von Boschirow als Tschepia nur als „möglich“ einstufen (30). Weder die britische Polizei noch offizielle politische Stellen haben jene „bellingcat“-Identifizierungen aufgegriffen, akzeptiert und übernommen (31). Bei der Metropolitan Police sucht man die Namen von Tschepiga und Mischkin vergeblich. II. BEWEISE DER TÄTERSCHAFT
Merkwürdigerweise wurde der Hotelbesitzer nach eigenen Angaben monatelang von der Polizei nicht darüber informiert, nicht einmal in welchem Hotelzimmer die beiden gewohnt haben — seine Hotelunterlagen und die Aufnahmen der Videoüberwachung musste er der Polizei übergeben (33). Dies erklärte er im September. Warum machte die Polizei den Hotelbesitzer also vier Monate lang keine Angaben über eine mögliche Vergiftung? War die Polizei sich so sicher, dass es insgesamt nur noch zwei Abstriche Gift im Zimmer gab und dieses Zimmer nun komplett giftfrei war? Gab es keinen Grund, die zukünftigen Hotelgäste zu schützen? Test mit Türklinke Sir Mark Sedwill, britischer Sicherheitsberater, teilte in einem Brief an NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg mit, dass Großbritannien Informationen vorlägen, Russland habe die Anwendung von Gift an Türklinken getestet (34). Natürlich ist diese Information, gerade in dem aktuell stattfindenden Propaganda-Krieg, sehr schwer einzuschätzen, so dass sie kaum als Beweis taugt. Offizielle Zeittafel und Überwachungsfotos Werfen wir nun einen Blick auf die offizielle Zeittafel der Bewegungen der beiden Verdächtigen und die offiziell veröffentlichten Video-Überwachungsbilder.
In der Nähe des Tatorts
Merkwürdige Touristen Der Erklärungsversuch der beiden Verdächtigen traf in Großbritannien auf breite Skepsis. Stellvertretend sei hier der detaillierte Widerlegungsversuch von Steven Morris in „The Guardian“ genannt (37). Das Wetterchaos am 2. März, dem Tag der Ankunft der beiden Verdächtigen, entspricht zwar durchaus der Wahrheit (38), aber die Beschreibung für den 3. März, der ersten Ankunft der beiden in Salisbury, die offiziell als Erkundungsreise betrachtet wird, stößt auf Unglauben. Sie verließen London um 11.45 Uhr, erreichten nach zweieinhalbstündiger Zugfahrt Salisbury und blieben dort weniger als zwei Stunden. Das Wetter hielt sie angeblich sogar davon ab, die Kathedrale von Salisbury zu besuchen, die nur zwölf Minuten Gehzeit vom Bahnhof entfernt ist. Bilder aus dem Stadtzentrum belegen, dass dort nur noch spärlich Schnee lag. Da die britische Polizei für den 3. März leider keine Videoaufnahmen veröffentlicht hat, kann man über die Wege der beiden Verdächtigen nur spekulieren. Sie selber erklären, dass sie vierzig Minuten bis eine Stunde im Bahnhofscafé verbracht hätten. Am 4. März reisten die Beiden wieder nach Salisbury, um dort bei besserem Wetter wieder ihr Glück zu versuchen. Ihr Verhalten nach Ankunft am Bahnhof widerspricht für Steven Morris definitiv ihrer Erklärung, sie seien dort auf Sightseeing-Tour gewesen:
Aber auch im weiteren Verlauf ihres Aufenthalts in Salisbury lässt ihr Verhalten Zweifel daran aufkommen, dass sie als Touristen unterwegs sind. Morris weiter:
Zu guter Letzt: Steven Morris weist auch darauf hin, dass sie am 4. März das berühmte Stonehenge hätten besuchen können, wenn sie tatsächlich so viel Wert darauf gelegt hätten, wie sie im Interview erklärten. Denn im Gegensatz zum Vortag war am 4. März Stonehenge wieder für Besucher geöffnet (39). In der Tat wirkt die Erklärung der beiden im Interview wenig glaubhaft, zu sehr widerspricht ihr Verhalten dem Verhalten eines interessierten Touristen, der insbesondere Salisbury sehen möchte und hierfür extra aus Russland angeflogen kommt. Vor allem die Frage, warum sie nicht — wie vermutlich alle Touristen — direkt zur Kathedrale gegangen sind, sondern stattdessen in ein Wohnviertel, lässt diese Erklärung seltsam erscheinen. Sind also die Fakten ein starkes Indiz dafür, dass sie eigentlich in Salisbury auf geheimer Mission waren, um Skripal zu töten? Merkwürdiges Killerteam Das Wetter in Salisbury am 3. und 4. März war tatsächlich nicht besonders einladend. Zudem tragen die beiden Verdächtigen für das unangenehme Wetter nicht wirklich die passende Kleidung, insbesondere die Sneakers, die sie am Nachmittag des 3. März in London gekauft hatten. Die offiziellen Überwachungsfotos belegen, dass sie durchaus nasse Füße gehabt haben dürften. Dieser Umstand, den man nicht vergessen sollte, lässt vielleicht ihr Verhalten in Salisbury weniger sprunghaft aussehen, als es war. Aber es beantwortet nicht die Frage, weshalb sie sich zuerst in Richtung des Wohngebiets bewegten. Geht man einmal von der Arbeitsthese aus, die beiden seien tatsächlich die Attentäter, dann ergibt sich eine ganz zentrale Frage, die auch Craig Murray stellt:
Nachdem sie um 13.05 Uhr an der Ecke Fisherton/Bridge Street von einer Überwachungskamera gefilmt wurden, und in Richtung des Bahnhofs gingen, wo sie um 13.27 Uhr den nächsten Zug nach London hätten nehmen können, machten die beiden Verdächtigen etwas ausgesprochen schwer Nachvollziehbares: Nichts.
Sie werden um 13.49 von der Überwachungskamera des Geschäfts Dauweilers gefilmt,
das unter anderem alte Münze verkauft. Die Beiden betrachten ausführlich das
Schaufenster und wollen eintreten, doch das Geschäft ist geschlossen. Sie hatten
bereits ihren Zug um 13.27 Uhr verpasst und hätten sicherlich auch ihren
nächsten Zug nach London nicht erreicht, wenn das Geschäft offen gewesen und sie
eingetreten wären.
Sie hätten den Mordversuch unternommen, ohne zu wissen, wann Skripal nach Hause kommt. Wenn Skripal erst am Abend zurückgekehrt wäre oder gar am nächsten Tag, wäre der Mordversuch von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen. Warum wurde nicht abgewartet, dass Skripal nach Russland zurückkehrt, um den 90. Geburtstag mit seiner Mutter zu feiern, wie es laut seinem Freund Ross Cassidy Skripals Plan und Wunsch war? Warum unternehmen sie keinerlei Anstrengungen, um unerkannt zu bleiben? Warum nehmen sie kein Hotel in Salisbury, um weniger „Angriffsfläche“ für die Überwachung zu geben und zur Not ihre Anwesenheit als Touristen leicht tarnen zu können? Warum nehmen sie keine Mietwagen anstatt mit dem Zug zu fahren und dann zu Fuß zu gehen? Warum vermeiden sie keine Videoüberwachungsbilder? Warum haben sie ihr Äußeres nicht verändert? III. SKRIPALS TAGESABLAUF Die letztbekannte offizielle Veröffentlichung des Tagesablaufs der Skripals erschien am 4. Juni:
13.30 Uhr: Sergeis Auto wird gesehen, wie es über die Devizes Road in Richtung Stadtzentrum fährt. 13:40 Uhr: Sergei und Julia kommen in Salisburys oberem Parkplatz bei den Maltings an. Einige Zeit später gehen sie in das Bishops Mill Pub im Stadtzentrum. 14.20 Uhr: Sie speisen im Restaurant Zizzi. 15:35 Uhr: Sie verlassen das Restaurant Zizzi. 16.15 Uhr: Die Rettungsdienste erhalten einen Bericht von einem Bürger und die Polizei kommt innerhalb weniger Minuten am Tatort an, wo sie Sergei und Julia auf einer Parkbank in der Nähe des Restaurants schwer erkrankt finden“ (43). Knapp zwei Wochen nach der Tat wurden offiziell Informationen über den Tagesablauf der Skripals veröffentlicht. Dort hieß es: „Wir glauben, dass Sergei's Auto am Sonntag, den 4. März, gegen 9.15 Uhr in den Gebieten London Road, Churchill Way North und Wilton Road gewesen sein könnte. Dann wurde gegen 13.30 Uhr gesehen, wie sie die Devizes Road hinunter in Richtung Stadtzentrum gefahren sind“ (44). Die extrem vage gehaltene Formulierung und die ungenauen Zeitangaben überraschen angesichts der Tatsache, dass es sowohl von der London Road, dem Churchill Way North und der Wilton Road Videoüberwachungsaufnahmen gibt, die Skripals Wagen zeigen. Aber vielleicht entspricht das in einem frühen Stadium der Untersuchung der Gewohnheit. Besonders der Erforschung der mehr als vier Stunden am Vormittag, von denen man nicht weiß, was die Skripals gemacht haben, gilt die Aufmerksamkeit der Untersuchung. Daher der offizielle Aufruf: „Wir müssen die Bewegungen von Sergei und Julia am Vormittag nachzeichnen, bevor sie in das Stadtzentrum aufbrachen. Haben Sie dieses Auto gesehen, oder wo glauben Sie war dieses Auto am Tag des Vorfalls? Wir freuen uns besonders darauf, von Ihnen zu hören, wenn Sie das Auto vor 13.30 Uhr gesehen haben. Wenn Sie Informationen haben, rufen Sie bitte die Polizei an“ (45). Besonders pikant an dem Vormittag des 4. März: Sowohl Sergei als auch Julia Skripal schalteten das GPS ihres Handys aus, so dass sie nicht mit Hilfe der Geolokalisierung — auch nachträglich — geortet werden können (46). Der Verdacht liegt nahe, dass die beiden das GPS absichtlich und damit aus einem konkreten Grund ausgeschaltet haben — insbesondere wenn man bedenkt, dass Skripal immer noch im Geheimdienstbereich arbeitete. Eine genauere Kenntnis über die Bewegungen der Skripals an diesem Vormittag könnte über den Hintergrund ihres Verhaltens Auskunft geben. Auch würde damit das zentrale Problem des gesamten Falls gegen die beiden russischen Verdächtigen geklärt, wie wir an späterer Stelle noch sehen werden. Aber auch bei der aktuellen Version des Tagesablaufs, die am 4. Juni erschien — also genau drei Monate nach der Tat — und seitdem nicht mehr aktualisiert wurde, bleibt das Rätsel ungelöst, was die Skripals vier Stunden lang taten und wo sie waren. Wie gelang es Skripal, vier Stunden komplett vom Radar der Überwachung zu verschwinden und dann auf einer Parallelstraße wieder aufzutauchen? Hat die Polizei hierzu bis heute keine Informationen? Oder werden die Informationen nicht veröffentlicht? Entenfütterung Zu dem Mysterium der morgendlichen vier Stunden gesellt sich ein weiteres überraschendes Ereignis, als die Skripals wieder auf dem Bildschirm der Überwachung auftauchen. Die nächsten offiziellen Angaben des Tagesablaufs sind:
13:40 Uhr: Sergei und Julia kommen in Salisburys oberem Parkplatz bei den Maltings an. Einige Zeit später gehen sie in das Bishops Mill Pub im Stadtzentrum.“ Warum erwähnt aber die offizielle Darstellung des Tagesablaufs eine Tätigkeit
der Skripals nicht, die zumindest Sergei nachweislich getan hat?
Zumindest für Skripals Mittagessen werden offiziell konkrete Uhrzeiten genannt:
15:35 Uhr: Sie verlassen das Restaurant Zizzi.“ Zahlreiche Medienberichte, die vor der ersten Veröffentlichung des Tagesablaufs erschienen, präsentierten eine Reihe von Aussagen, die alle übereinstimmend angaben, dass die Skripals zuerst im Restaurant Zizzis waren und anschließend in das Pub The Mill gingen. Im Pub erschienen sie um 15 Uhr (52). Zwei übereinstimmende Berichte sprechen zudem davon, dass die beiden 45 Minuten im Restaurant verbringen, bevor Skripal, der über das lange Warten aufgebracht ist, mit seiner Tochter das Restaurant verlässt (53). Hier zeigt sich auch ein drittes fundamentales Problem mit der offiziellen Darstellung des Tagesablaufs Skripals: die Reihenfolge stimmt mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nach nicht — und die Polizei hat auch keine Beweise vorgelegt, die ihre Angaben stützen. Die Skripals gingen zuerst ins Restaurant und danach in die Kneipe. Zudem widerspricht die offizielle Angabe, die Skripals seien von 14.20 bis 15.35 Uhr im Restaurant gewesen, nicht nur zahlreichen Zeugen, sondern ist auch in der Dauer vermutlich zu lang. So sprechen zwei Berichte übereinstimmend von 45 Minuten, wobei eine Zeugenaussage hierbei sehr detailliert ist. Durch CCTV-Aufnahmen und Augenzeugen ist folgender Tagesablauf für Skripal belegt, den Rob Slane zusammengestellt hat:
13:45 Uhr: Sergei ist auf Videoaufnahmen von Enten in der Nähe des Avon Playground zu sehen und gibt drei Jungen Brot. 13:50-14:00 Uhr: Die Skripals betreten das Restaurant Zizzi. 14:35-14:45 Uhr: Sie verlassen Zizzis und gehen zum The Bishops Mill Pub“ (54). Es spricht Bände, dass die mögliche Identifizierung zweier Russen als Geheimdienstmitarbeiter in der Nähe des Tatorts — nicht offiziell durchgeführt — ausreicht, um scheinbar die Täterfrage abschließend zu klären. Es ist bizarr, dass eine Frage bei der Beweisführung vollkommen übergangen wird: nämlich der Beweis, dass die Verdächtigen zur Tatzeit am Tatort waren. Um die Tatzeit ermitteln zu können, müssen die Fragen beantwortet werden, wann zum einen die Skripals sich an der Türklinke vergiftet haben können und wann zum anderen die Täter das Gift an der Türklinke aufgetragen haben können. Zu ersterer gibt die britische Polizei am 17. März einen Hinweis:
Bis zur Veröffentlichung der Verdächtigen und ihrer Bewegungsmuster in Salisbury war diese Fragestellung nie wirklich relevant, da man automatisch davon ausging, dass die Kontaminierung vor 9.15 Uhr gewesen sein muss, als die Skripals das Haus verließen. Auch Ross Cassidy ging hiervon aus:
Legt man als Arbeitshypothese zugrunde, dass die beiden Verdächtigen die Täter sind, dann lässt sich das Zeitfenster für die Tat recht genau bestimmen. Es kann nicht vor 11.58 Uhr gewesen sein, als sie in der Nähe des Tatortes gesehen wurden. Craig Murray betont hierzu:
Das Zeitfenster der Tat, deren Ausführung einige Zeit in Anspruch genommen haben dürfte, lässt sich also ungefähr auf 12.05 — 12.50 Uhr bestimmen. Nach offiziellen Angaben kommen aber, wie gesagt, die Skripals nicht mehr nach er Ausführung der Tat nach Hause und können sich somit vergiftet haben. Um ihre Verdächtigung also ausreichend begründen zu können, muss die britische Polizei zwingend beweisen, dass die Skripals nach ihrem Verlassen des Hauses um 9.15 Uhr noch einmal nach Hause gekommen sind, wo sie sich dann vergiftet hätten. Dieser Beweis liegt aber nicht vor. Kronzeugen Während also auf der einen Seite eine Reihe von Bildern der Videoüberwachungskameras existieren, die die Skripals am 4. März zeigen — und Zeitungen eine ganze Reihe weiterer Bilder präsentieren, die die Polizei nicht veröffentlicht hat —, herrscht zwischen 9.15 Uhr und 13.30 Uhr ein großes Loch. Ebenso existiert ein Loch von gut 40 Minuten für die beiden Verdächtigen. Da die beiden Opfer aber auch ihre Handys abgeschaltet hatten, bleibt nach Sichtung der Beweise, die der Öffentlichkeit vorgelegt worden sind, das Problem bestehen: Solange die Untersuchung keine Beweise vorlegen kann, dass die Skripals noch einmal zum Haus zurückgekehrt sind und sich dort vergiftet haben können, bleibt es nichts anderes als ein unbewiesener Verdacht. Nicht mehr und nicht weniger. Ohne Beweise der Videoüberwachung bleibt nur eine einzige Möglichkeit zu belegen, dass die Skripals doch wieder nach Hause zurückgekehrt sind: Man könnte zwei Kronzeugen hierzu befragen: Sergei und Julia Skripal. Weshalb dies jedoch nicht gemacht beziehungsweise das Ergebnis nicht veröffentlicht wurde, ist schwer bis überhaupt nicht nachvollziehbar. V. DIE TATWAFFE Kommen wir nun zur Tatwaffe. Im Gegensatz zur Frage der Tatzeit scheint dieser Aspekt der Tat mehr als ausreichend dokumentiert und Nowitschok als Tatwaffe eindeutig identifiziert zu sein. Leider ist aber auch die Frage nach der Tatwaffe weiterhin ein zentraler Abschnitt im Labyrinth Skripal. Jeder hat es Ein ursprüngliches Hauptargument für die Verdächtigung Russlands hat sich aus sehr besorgniserregenden Gründen völlig in Luft aufgelöst. Anfangs hieß es, dass Nowitschok ausschließlich in Russland hergestellt wird, so dass dessen Verwendung schon an sich ein hinreichender Beweis sei, um Russland als Hauptverdächtigen auszumachen — sowie die Tatsache, dass Skripal ein ehemaliger Mitarbeiter des russischen Geheimdienstes war. Im Laufe der Monate hat sich jedoch eine erschreckend lange Liste von Ländern ergeben, die im Besitz von Nowitschok sind oder waren. Beispielsweise gehört hierzu nun auch Tschechien, die mit Nowitschok im Jahr 2017 experimentiert haben (59). Ebenso hatte auch Deutschland eine Probe des Nervengiftes (60). Die Vermutung steht sogar im Raum, dass es Nowitschok in Labors von weiteren NATO-Ländern gab. Auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion verweigerte die Bundesregierung Ende April die Antwort (61). Die OPCW Man sollte daher an die Schlussfolgerung der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) erinnern:
Bizarr das Verhalten des Direktors der OPCW. Ahmet Uzumcu hatte der „New York Times“ vollmundig erklärt, dass beim Mordversuch 50 bis 100 Gramm Nowitschok verwendet worden seien (63). Tatsächlich musste die Organisation ihren Direktor wegen dieser groben Falschaussage öffentlich korrigieren, denn ihrer Einschätzung nach handelt es sich wahrscheinlich um eine Menge im Milligramm-Bereich (64). Ein nicht-tödliches tödliches Gift Grundsätzlich bleiben zwei zentrale Fragen rund um das Nervengift Nowitschok weiterhin unbeantwortet: Warum war das Gift nicht tödlich? Warum setzte die Wirkung des Giftes erst mit mehreren Stunden Verspätung ein? Der letztmögliche Zeitpunkt, an dem die Skripals das Gift hätten berühren können, ist 13.15 Uhr. Danach fuhren sie in die Stadt und besuchten offiziell ein Restaurant und anschließend ein Pub. Erst drei Stunden nach dem spätesten Zeitpunkt einer möglichen Vergiftung brachen die Skripals zusammen und Passanten riefen einen Notarzt. Die offene Frage lautet daher sehr einfach: Ist dies der normale Verlauf einer Vergiftung mit Nowitschok? Des Weiteren steht die Frage im Raum, weshalb ein hochkomplexer Anschlag mit einem militärischen Nervengift durchgeführt wird, wenn dieses Gift nicht tödlich ist. Dan Kaszeta, Spezialist für ABC-Waffen und Mitarbeiter von „bellingcat“ vermutet:
Richard Guthrie, Experte für Chemiewaffen, sieht den Grund für die reduzierte Wirksamkeit des Giftes in der Substanz, die dem Gift beigemischt wurde und auf die Klinke gebracht worden sein könnte:
Das mag zwar plausibel klingen, würde aber wieder eine Inkompetenz der Attentäter dokumentieren. Zudem dürfte der Idee, zusätzliches Material sei beigefügt worden, die extrem hohe Reinheit des Giftes widersprechen, die die OPCW festgestellt hat. Daher schließt sich auch die Frage an: In welcher Form wurde das Gift auf der Türklinke angebracht? Nur ein Vollidiot Wil Mirsajanow, Mitenwickler von Nowitschok in den 1980er Jahren, erklärte im Interview mit dem russischen Rundfunksender „Kommersant FM“ im Hinblick auf das feuchte Wetter, das in Salisbury am Tattag herrschte:
Fehlende Sicherheitsvorkehrung
Steele war längere Zeit für den MI6 tätig, erst seit 1999 von Moskau aus, dann war er bis 2006 der Leiter der Russland-Abteilung des MI6 in London, bevor er den Geheimdienst verließ und das Business-Intelligence-Unternehmen Orbis gründete. Seit Veröffentlichung des Trump-Dossiers ist er untergetaucht (78). Es ist sehr unwahrscheinlich, dass sich Steele für Informationen über Trumps Verbindungen nach Russland nicht an Skripal gewendet haben würde, der in einem der größten Austausch-Aktionen von Spionen aus Russland nach Großbritannien freigekommen war und den Steele aufgrund seiner Position innerhalb des MI6 gekannt haben muss. Diese Meinung vertritt auch Professor Anthony Glees, Direktor des Centre for Security and Intelligence Studies an der University of Buckingham (79). CNN berichtet von einer weiteren Person, die sich hinter dem Berater verstecken soll, den „The Telegraph“ nicht identifizieren möchte. CNN beruft sich auf eine Darstellung des russischen Geheimdienstes FSB, die von einem enttarnten Agenten erfahren hatten, dass dieser von Pablo Miller rekrutiert worden war, der als Mitarbeiter des MI6 in der britischen Botschaft in Estland arbeitete. Diese Botschaft war bereits als führende Stelle von Skripal identifiziert worden, als dieser noch als Doppelagent tätig war (80). Pablo Miller lebt zudem ebenso wie Skripal in Salisbury, was der Aussage des „Telegraph“ entsprechen würde. Seine LinkedIn-Seite verwies zudem auf seine Arbeit für Orbis, der Firma von Christopher Steele. Allerdings besteht „Guardian“-Journalist Luke Harding darauf, dass diese Info nicht stimme, ohne dies jedoch näher zu belegen (81). Der Aspekt einer möglichen Mitarbeit am Trump-Dossier von Skripal zieht noch weitere Kreise. Am 7. März, am selben Tag wie das Erscheinen des obigen Artikels im „Telegraph“, die den Sicherheitsberater, der am Trump-Dossier arbeitete und Skripal kannte, nicht idenfitizieren wollten, wurde eine sogenannte DSMA-Notice an die Medien geschickt. Die „Defence and Security Media Advisory Notice“ zielt darauf ab, dass Medien Namen aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht nennen. Dies dürfte auch erklären, warum der „Telegraph“ keinen Namen nennen mag (82). Am 14. März erfolgte die zweite DSMA-Notice. Angst Skripals Nachbar und enger Freund Rick Cassidy berichtet, dass Skripal in Angst lebte: „Etwas hatte Sergei in den Wochen vor dem Anschlag in Angst versetzt. Er war nervös, ich weiß nicht warum, und er hat sogar sein Handy gewechselt.“ Auf der Fahrt zum Flughafen am 3. März hatte er das Gefühl, ein Auto verfolge sie. Insgesamt schien Skripal für seinen Freund in einem „Zustand erhöhter Aufmerksamkeit“ gewesen zu sein (83). Was natürlich auch die Frage in den Raum stellt, ob Skripal über eine Videoüberwachungsanlage seines Hauses verfügt hat. Am Tattag selber erschien Skripal ausgesprochen unruhig zu sein. Im Restaurant gab er sich sehr aggressiv. Ein Zeuge beschreibt: „Er hat nur geschrien und die Beherrschung verloren.“ Skripal forderte seine Rechnung und zahlte, sobald er sein Hauptgericht serviert bekommen hatte (84). Besucher im Krankenhaus Während Skripal lange Zeit im Krankenhaus um sein Leben kämpft und dann weitere Wochen dort seine Rekonvaleszenz verbrachte, wurde er hermetisch von der Außenwelt abgeschottet, sogar seinem engen Freund Cassidy wurde ein Besuch verboten. Es überrascht daher umso mehr, dass der Journalist Mark Urban, der an einem Buch über Spionage nach dem Zweiten Weltkrieg schrieb und in dem Zusammenhang vor dem Mordversuch bereits mehrere Interviews mit Skripal geführt hatte, offenbar Zugang ins Krankenhaus hatte. So schreibt Luke Harding, der sich auf Urbans frisch erschienenes Buch „Die Akte Skripal: Der neue Spionagekrieg und Russlands langer Arm in den Westen“ beruft, Skripal „zögerte zunächst zu glauben, dass die russische Regierung versucht hatte, ihn zu töten (…) anfangs mochte er nur ungern glauben, dass er das Ziel eines Kreml-Anschlages gewesen war“ (85). Wieso passt dieses Bild so wenig mit dem Bild zusammen, dass Skripals Freund Cassidy von ihm zeichnet? Und wie kann es sein, dass ein Journalist scheinbar Zugang zu Skripal hat, aber enge Freunde ihn nicht besuchen dürfen? VII. BEWEISSCHULD Es ist in gewisser Weise tragisch, aber immer wieder muss man auf den Aspekt der Beweislast hinweisen. Deutsche Bundesregierung braucht keine Beweise Auch Deutschland hatte sich an der Ausweisung russischer Diplomaten im Zuge der Skripal-Affäre beteiligt, als sie drei Wochen nach der Tat vier russische Diplomaten des Landes verwies (86). Drei Monate nach der Tat fragte ein Journalist von „Russia Today“, welche weiteren Faktoren über Nowitschok hinaus dafür sprechen, dass der mutmaßliche Angriff auf die Skripals durch Russland erfolgt ist. Regierungssprecher Steffen Seibert beantwortet dies, ohne zu antworten:
Während die deutsche Regierung durchaus Kritik einstecken musste, erhält die russische Regierung für ihr Verhalten zu Beginn der Skripal-Affäre Rückendeckung aus unerwarteter Richtung. Russland hatte anlässlich einer Dringlichkeitssitzung der Organisation zum Verbot chemischer Waffen (OPCW) angeboten, gemeinsam mit Großbritannien im Skripal-Fall zu ermitteln. Britische Diplomaten hatten den Vorschlag aus Moskau als „pervers" abgelehnt und Russland eine 48-Stunden-Frist gesetzt, um seine eigene Rolle aufzuklären (90). Die russische Regierung hatte dieses Ultimatum zurückgewiesen und entsprechend verstreichen lassen. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages schreibt hierzu in seinem Gutachten, die russische Regierung habe mit ihrem Angebot einer gemeinsamen Aufklärung, „zumindest formal seine Kooperationsbereitschaft bekundet“. Zudem sei „ein offenkundiger Verstoß Russlands gegen Kooperationsverpflichtungen aus dem Chemiewaffenübereinkommen nicht zu erkennen“ (91). Richtige und falsche Fragen Das Labyrinth Skripal ist ein Resultat des aktuellen Informationskrieges. Es hat den Anschein, dass beide Seiten Nebelkerzen zünden. Der US-amerikanische Schriftsteller Thomas Pynchon schrieb einmal:
Quellen und Anmerkungen:
Link zum Originaltext bei ' rubikon.news ' ..hier
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